Bücher

Biografien

Weltmeister ohne Talent: Mein Leben, meine Karriere

Per Mertesacker (2018) gibt in seiner Autobiografie einen Rückblick auf seine aktive Karriere als Spieler. Diese sieht in der Jugend noch nicht sehr hoffnungsvoll aus, da er nie zu den Spitzenspielern gehört. Durch seinen Vater, der Trainer im Jugendbereich ist, kommt er doch zu Hannover 96, fällt aber auch dort zurück, nachdem er als Jugendlicher Probleme mit den Beinen bekommt.

Seine Wachstumsprobleme sind irgendwann verschwunden und mit mal kann er mit zuvor talentierteren Spielern mithalten. Dann setzt er sich bei Hannover 96 unter Ralf Rangnick und Mirko Slomka durch und wird auch früh von Jürgen Klinsmann in der Nationalmannschaft berücksichtigt.

Seine lobenden Worte über seine Zeit in Bremen gehen einem als Werder-Sympathisant natürlich runter wie Öl. Dort holte er auch seinen ersten Titel mit dem Pokalsieg 2009.

Nachdem es sportlich bergab ging bei Werder, ging für ihn mit einer Verpflichtung bei FC Arsenal ein Traum in Erfüllung, da er diesen Auslands-Verein bereits seit seiner Jugend favorisiert hatte. Dort spielte er unter Arsene Wenger zusammen mit Lukas Podolski und Mesut Özil und gewann dreimal den FA Cup.

Im letzten Kapitel wird seine Karriere in der Nationalmannschaft vom Beginn als junger Spieler mit einem Überblick über die von ihm gespielten Turniere beschrieben. Der Höhepunkt folgt natürlich am Ende mit dem Weltmeistertitel 2014 und seiner legendären Eistonnenrede.

Per Mertesacker gibt einen Einblick in den Alltag eines Fußballprofis mit immer wiederkehrenden Verletzungspausen und folgenden Rehaphasen. Er erklärt, dass andere zwar talentierter waren, er sich aber durch Glück und eigenen Leistungswillen durchgesetzt hat. Durch Eigeninitiative wie zusätzliches individuelles Training neben dem Vereinstraining konnte er gesundheitliche Probleme auch aufgrund seiner Größe ausgleichen. Nach London hat er extra ein zusätzliches Physiotherapeuten-Pärchen mitgenommen, die für ihn zuständig waren und sich dort eine neue Existenz aufgebaut haben.

Persönlich gibt er Einblick, dass er seine Frau, die Handballerin Ulrike Stange, in der Reha kennengelernt hat. Sowohl seine Familie als auch seine Frau haben seine Karriere aktiv unterstützt, wobei er seinem stabilen, geerdeten Umfeld großen Anteil an seinem Erfolg zuspricht. Robert Enke war für ihn eine große Persönlichkeit als junger Spieler. Obwohl er sich sehr verbunden mit ihm fühlte, wusste er nichts von seinen Depressionen bis zu Enkes plötzlichen Tod. Erst später wurde ihm erklärt, dass es für depressive Menschen typisch ist, niemanden seine Schwächen zu zeigen.

Am Ende des Buchs gibt er einen Ausblick, welche Erfahrungen er als Leiter der Jugendakademie von FC Arsenal einfließen lassen will. Er plant, den jungen Spielern auch Verantwortung abseits des Spielfeldes, zu übertragen. In englischen Fußballakademien wird heute den Spielern alles abgenommen außer dem Fußballspielen. In seiner Biografie zählen aber auch die Erfahrungen abseits des Fußballplatzes, um Verantwortung übernehmen zu können. Gerade vor dem Hintergrund, dass die meisten Talente es nicht schaffen werden, ist es wichtig, die jungen Menschen auch auf ein Leben ohne Fußball vorzubereiten.

NOFX waren schon immer meine Hassliebe, mit einerseits den besten Alben, andererseits arroganten Live-Auftritten, wie bei den Hard Pop Days in Bremen; wahrscheinlich 1997. In dem Buch von NOFX und Alulis (2016) wird diese Einschätzung völlig bestätigt.

Es ist in kurze Abschnitte unterteilt, in denen die Band-Mitglieder abwechselnd ihre Erinnerungen wiedergeben. Das macht es sehr leicht zu lesen. Auch die Ehemaligen kommen zu Wort.

Die ersten Jahre werden als sehr dilettantisch dargestellt mit einer Ausrichtung im Hardcore wie auf Liberal Animation. In den Achtzigern war die kalifornische Punk-Szene sehr gewalttätig. Drogen waren alltäglich, wobei Smelly zu dieser Zeit heroinabhängig war. Fat Mike war zu der Zeit am vernünftigsten, da er nur einzelne Tage hauptsächlich Alkohol getrunken hat. Trotzdem wird Smelly zu dieser Zeit als der einzig gute Musiker in NOFX beschrieben. Unklar bleibt, wie sie es trotz der mangelnden Qualität geschafft haben, sich in der Punk-Szene durchzusetzen.

Als Wendepunkt wird Suffer von Bad Religion bezeichnet, auf dem erstmals eher melodischer Hardcore gespielt wurde. So ist S&M Airlines, das Fat Mike als erstes echtes NOFX-Album sieht, auch deutlich von Suffer beeinflusst.

1992 ging Smelly auf Entzug und ist seitdem clean. Allerdings nicht ohne vorher im Rolling Stone Magazin mit einem Foto, auf dem er sich einen Schuss setzt, zu erscheinen. In der Zeit ist auch El Hefe zur Band gestoßen und sie haben ihre bis heute aktuelle Besetzung gefunden. Hefe brachte neben der Trompete auch sonst die besten musikalischen Fähigkeiten in die Band ein. So zeigte er ihnen erst, wie die Instrumente richtig gestimmt werden. Danach haben sie mit White Trash, Two Heebs and a Bean und Punk in Drublic absolute Hammeralben aufgenommen.

In den 90ern hat der Drogenkonsum insbesondere von Fat Mike zugenommen, wobei Smelly nüchtern zugucken musste, da er sich keinen Rückfall mehr leisten kann. Mike und Melvin haben auch live auf der Bühne Lines gezogen in einer Zeit, als es üblich war, dass sie das Publikum betrunken beschimpften. Diese Einschätzung deckt sich mit unseren Hard Pop Days Erfahrungen.

Danach habe ich NOFX lange nicht verfolgt. Nach der Wahl von George W. Bush hat inbesondere Fat Mike die Kampagne Rock Against Bush gestartet und sie haben mit The War on Errorism eine sehr eindeutige Scheibe veröffentlicht. Allein wegen des Titels heute ein absolutes Lieblingsalbum. Außerdem erwähnenswert sind die zwei Folgen Backstage Passport, in denen NOFX durch eher ungewöhnliche Länder wie Singapur, China, Israel und andere touren.

In dem Buch wird deutlich, dass der Song 60% die Einstellung von NOFX wiedergibt. Es gehört zu ihrem Punk-Ethos, ihren Job nicht immer Ernst zu nehmen; mit den erläuterten Ausfällen auf der Bühne. Will man NOFX live sehen, kann man erwarten beschimpft zu werden.

Persönlich kommen Melvin und Hefe recht normal rüber, wobei Hefe zugibt, gar kein echter Punk zu sein. Fat Mike hingegen lebt seine diversen Fetische aus. Als Cokie the Clown hat er auch live Getränke im Publikum verteilt, nach dem Konzert aber auf Leinwand gezeigt, wie er vorher in die Flasche gepisst hat. Das hat zurecht Empörung ausgelöst und für einen medialen Aufschrei gesorgt. Erst Monate später wurde aufgelöst, dass die Situation gestellt war. Das hat natürlich kein solches Echo mehr ausgelöst. Am interessantesten sind aber Smellys Erfahrungen als Ex-Junkie, welch ein Idiot er unter Drogen war, welches Glück er hatte, das überlebt zu haben, und wie es sich als Ex-Junkie in einer drogenverherrlichenden Band aushalten lässt. Er hat eine Patenschaft für die Tochter einer drogenabhängigen Mutter übernommen und führt mit ihr heute ein glückliches Familienleben.

Man muss NOFX nicht mögen; das wollen die gar nicht. Ich allerdings mag zumindest ihre Musik. Lieblingslieder: The Irrationality of Rationality, She’s Gone, Kill All the White Man oder doch lieber Party Enema?

Punk Rocker sind auch nur Väter

Jim Lindberg (2008), der Sänger von Pennywise, beschreibt den Widerspruch als Sänger einer professionellen Punkband gleichzeitig als Vater von drei Töchtern, zu Hause Autorität ausstrahlen zu müssen. Sein Buch diente als Vorbild für den Film The Other F Word, der neben Lindberg auch andere Väter aus der Punk-Szene zeigt. Im Norddeich-Urlaub 2017, als Nils gerade ein Jahr alt war, konnte ich zumindest die Familiensituationen gut nachvollziehen.

In dem Gegensatz zwischen dem Leben als Punk-Sänger und Familienvater macht er genau dieselben Erfahrungen wie alle seine Väter-Fans auch. Den Höhepunkt erreicht das Buch, als er beschreibt, wie er nach einem Konzert, anstatt mit Alkohol, Drogen und leicht verfügbaren Groupies zu feiern, nach Hause fährt. Nach einer kurzen Zeit im Bett, wird er von seiner Tochter mit Magen-Darm geweckt. Statt sich auf der After-Show Party zu amüsieren, muss er die Nacht hindurch ihren Kopf über die Toilette halten und den Dreck wieder wegmachen, wie jeder andere ganz normale Vater auch.

Ehrlicherweise wird der Alltag als Punk-Sänger zwar aufregend dargestellt, aber letzten Endes kann auch dieses Leben in Routine umschlagen. Er beschreibt Situationen, in denen er wochenlang auf Tour ist, aber eigentlich lieber bei seiner Familie sein möchte, während die anderen Bandmitglieder nur Party machen. Beruhigend, dass auch das Leben als Punk-Rock Star nicht immer aufregend ist, und dass auch bekannte Väter dieselben Erfahrungen wie jeder Normalo machen.

Politik und Gesellschaft

Factfulness

Rosling, Rönnlund, und Rosling (2018)

Heimaterde

In Heimaterde erkundet Lucas Vogelsang (2017) Migrantengeschichten ausgehend aus Berlin-Wedding, wo er vielleicht extra deswegen hingezogen ist. Die Geschichte beginnt mit Bewohnern wie Fikret, Diana und ihrem Sohn Can. Er ist eingewanderter Moslem, sie kommt aus Dänemark. Es wird nicht ganz klar, ob sie für ihn konvertiert ist. Solch gemischte Familien gibt es auf jeden Fall auch.

Als in Dänemark 2005 die Mohammed-Karikaturen der Jyllands-Posten veröffentlicht wurden, hat sie das in ihrem Glauben verletzt. Als dann die dänischen Flaggen brannten, hat sie für ihre Heimat gebetet.

Nicht alle Lebensgeschichten lassen sich in rein deutsch, rein Zuwanderer oder christlich/jüdisch oder atheistisch einteilen.

Es werden vorbildliche Migranten vorgestellt wie Ismail Öner, der für sein Fußball-Integrationsprojekt Preise erhält. Oder Raed Saleh, der sich als Berliner SPD-Politiker um Integration bemüht. Für ihn stimmt erst seit Gerhard Schröder der Satz Deutschland ist ein Einwanderungsland. Um in Deutschland anzukommen sind für Moslems unter anderem Friedhöfe wichtig, die eine Beerdigung mit Ausrichtung nach Mekka erlauben.

Im Wedding werden auch Idole geboren wie die Brüder Boateng, von denen zwei internationale Stars geworden sind und deren großer Bruder George Boateng von den Erfahrungen im Wedding rappt. Es zu schaffen oder es nur zu wollen ist ein immer wiederkehrendes Thema. Auch bei Yasin el Harrouk, der schauspielert und auf deutsch und arabisch singt, in Deutschland Erfolg hat, Gefühle aber eher auf arabisch transportieren kann. Der bei Sammy Delux’ MiMiMi sagt, die Gedanken und Erfahrungen des Lieds könnten direkt aus seinem Kopf kommen.

Nicht nur Geschichten Berliner Migranten werden vorgestellt, sondern auch Leute wie Kai Eickermann aus der niedersächsischen Provinz, der bei seinem Stiefvater in Ghana aufgewachsen ist. Der früher erfolgreiche Breakdancer arbeitet heute als Entertainer. Trotz seiner weißen Hautfarbe fühlt er sich eher der ghanaischen Kultur verbunden als sein dunkelhäutiger Halbbruder Ericson Ecke, der eher klassische deutsche Tugenden aufweist und ihn in seinem zu Hause besucht.

Aber auch andersherum werden erfolgreiche Einwanderer vorgestellt, die einer weiteren Zuwanderung skeptisch gegenüber stehen. Zum Beispiel der Spätaussiedler Waldemar Birkle, der in Pforzheim Rekordergebnisse für die AfD holt.

If a black man is racist, is it okay
If it’s the white man’s racism that made him that way
Because the bully’s the victim they say
By some sense they’re all the same

’Cause the line between wrong and right
Is the width of a thread from a spider’s web
The piano keys are black and white
But they sound like a million colors in your mind

— Katie Melua
Spider’s Web

Und da sind Jesiden, die dem Islamismus glücklich entkommen sind, und jetzt die Einwanderung muslimischer Menschen kritisch sehen. Natürlich gibt es viele Vorurteile auch unter Muslimen, von Türken, die Kurden als Abschaum betrachten, von christlichen Einwanderern, die Moslems gegenüber reserviert sind und Deutschen, die Einwanderer generell kritisch gegenüber stehen. Einwanderung ist aber real für einen großen Teil der Bevölkerung. Ihnen das Streben nach Glück aufgrund ihres Lebensweges zu verwehren, ist eine riesen Ungerechtigkeit. Kultur ist nicht schwarz oder weiß, sondern unterschiedliche Lebenswege erzeugen die Millionen Farben, die das Leben reicher machen. Das heißt aber nicht, dass Konflikte totgeschwiegen werden sollten.

Abschließend wird jemand vorgestellt, der Deutschland den Rücken gekehrt hat und von außen zurück schaut. Volker Grellmann ist in Namibia als Großwildjäger zur Legende geworden. Er hat sich in eine andere Kultur integriert und blickt mit Distanz urück auf Deutschland.

Homo Deus - Eine Geschichte von Morgen

Harari (2017)

Eine kurze Geschichte der Menschheit

Anders als im Geschichtsunterricht erklärt Yuval Noah Harari (2013) die großen Zusammenhänge der gesamten Menschheitsgeschichte. Der Schmierstoff der Geschichte sind Erzählungen, die Menschen sich gegenseitig weitergeben und an die sie gegenseitig glauben. Er spricht von einer intersubjektiven Ordnung. Diese ermöglicht Kooperation auf Basis von gleichen Werten und Regeln. Erfundene Geschichten spiegeln sich wieder in Religionen, die die Herrschaft eines von Gott gesandten Königs rechtfertigen. Aber auch moderne Mythen wie Geld, Menschenrechte oder Aktiengesellschaften sind nichts anderes als Dinge, die nur im menschlichen Geist existieren und so Regeln des Zusammenlebens definieren. Kooperation in größeren Organisationen wird erst durch die Regeln, die diese Mythen erfinden, ermöglicht.

Die Menschheitsgeschichte wird anhand von vier großen Umbrüche beschrieben. Der erste Umbruch ist die Kognitive Revolution, nach der sich erstmals Malereien und Skulpturen finden lassen. Bis zu diesem Moment unterscheidet sich der Homo Sapiens nicht sonderlich von der Tierwelt und er konkurriert noch einige Jahrzehntausende mit anderen Menschenarten, bevor er diese verdrängte.

Early man walked away as modern man took control
Their minds weren’t all the same, to conquer was his goal

— Bad Religion
We’re Only Gonna Die

Der Auslöser für die Kognitive Revolution kann nicht alleine die Sprache gewesen sein, da auch andere Tiere untereinander kommunizieren. Erst nach der Kognitiven Revolution gelang es dem Menschen Eurasien und Afrika zu verlassen. Bereits vor 45.000 Jahren erreichten Menschen Australien über den Seeweg. Dabei fällt es schwer zu erklären, wie sie die gewaltigen Meereswege zurück gelegt haben. Aber sie müssen sich auf dem Wasser so gut ausgekannt haben, dass sie schließlich dort angekommen sind. Speziell für die großen Tierarten war die Ankunft des Menschen allerdings eher eine Sintflut. Wo immer der Mensch auftauchte, starb zeitgleich ein großer Teil der Großtiere aus, die vom Menschen gejagt wurden. Nur in Afrika entwickelte sich zeitgleich mit den Homo Sapiens auch eine Scheu großer Tiere gegenüber dem Menschen, die viele von ihnen vor dem Aussterben bewahrt hat.

Zu Beginn der kognitiven Revolution lebten auf dem gesamten Planeten rund 200 Säugetiergattungen, deren Angehörige über 50 Kilogramm wogen. Zu Beginn der landwirtschaftlichen Revolution waren es nur noch etwa 100.

Der Mensch hat also schon lange vor unserer modernen Zeit die Natur nachhaltig geschädigt.

Während der Landwirtschaftlichen Revolution lernten die Menschen nach und nach Getreide und Tiere zu halten. Wobei das auch anders gesehen werden kann. Der Weizen verführte die Menschen sesshaft zu werden. Im Gegenzug konnten sich die Getreide weltweit verbreiten. Genauso sind Zuchttiere im Sinne der Evolution die erfolgreichsten Spezies mit der weitesten Verbreitung. Allerdings verloren sie ihre natürliche Lebensweise und werden nach Bedarf geschlachtet. Die Anzahl der Menschen erhöhte sich in Folge der Landwirtschaftlichen Revolution von 5 bis 8 Millionen auf 250 Millionen. Das bedeutete aber nicht, dass es den einzelnen Menschen damit besser ging. Spätestens seit der Landwirtschaftlichen Revolution entwickelten sich überall Hierarchien, die Menschen aufgrund eher zufälliger Entwicklungen einteilen. Ganz unterschiedliche Unterdrückungssysteme haben sich entwickelt wie das Kastensystem in Indien, die Haltung von afrikanischen Sklaven oder die heutige Einteilung in Arme und Reiche. Alle diese Hierarchien beruhen nicht auf biologischen Unterschieden, sondern sind rein kulturelle Erfindungen. Inwieweit Regeln dabei kultureller Natur sind oder biologisch Ursachen haben, ist nicht immer leicht zu verstehen.

Eine gute Faustregel lautet: »Die Biologie erlaubt, die Kultur verbietet.«

Vorstellungen wie, Frauen müssen Kinder gebären oder gleichgeschlechtliche Beziehungen seien widernatürlich, entspringen eher religiöser Vorstellungen.

Eine unnatürliche Verhaltensweise, die den Gesetzen der Natur widerspricht, kann es gar nicht geben, weshalb es völlig sinnlos ist, sie verbieten zu wollen. Keine Kultur hat sich je die Mühe gemacht, Männern die Photosynthese oder Frauen die Fortbewegung mit Überlichtgeschwindigkeit zu verbieten.

Selbstverstärkende Effekte führen dazu, das die Einteilungen bestehen bleiben. So hat auch heute noch jemand aus einem armen Elternhaus schlechtere Bildungschancen und damit auch schlechtere Aussichten, eine gutbezahlte Position zu erreichen. Während sich viele Hierarchien zufällig entwickelten, gibt es eine Hierarchie, die sich in allen Kulturen etablierte: Die gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen. So gibt es unterschiedliche Theorien, die diese Hierarchie biologisch erklären wollen, allerdings hält Harari bei genauerer Betrachtung keine davon für schlüssig.

Die dritte große Revolution ist die Vereinigung der Menschheit. Die entgegen der Annahme, dass die Globalisierung eine recht neue Entwicklung ist, bereits viel früher eingesetzt hat. Das entsprechende Kapitel geht der Frage nach, ob die Geschichte zwangsläufig so ablaufen musste wie sie abgelaufen ist, oder ob nicht auch ein ganz anderer Verlauf möglich gewesen wäre. Der Antrieb für Geschichte ergibt sich nicht nur aus äußeren Zwängen, sondern entwickelt auch eine eigene Dynamik innerhalb einzelner Kulturen.

…, Widersprüche sind unvermeidlicher Teil jeder menschlichen Kultur. Mehr noch, sie sind der Motor der Geschichte …

So geben unsere modernen Staaten die Ziele Freiheit und Gleichheit vor, wobei diese im Widerspruch zu einander stehen. Die Betonung der Freiheit im Kapitalismus führt zu einer Vielzahl armer Menschen, während die Betonung der Gleichheit im Kommunismus zu Diktaturen ohne individuelle Freiheit geführt hat. Über lange Zeiträume betrachtet führt der äußere Druck zu einer immer stärker vereinheitlichten Kultur. Vor 10.000 Jahren lebten die Menschen noch in kleinen Staaten und dachten sie kennen die ganze Welt. Für die Menschen damals war es auch nicht nötig, mehr über die Welt jenseits des eigenen Territoriums zu erfahren. Ein entscheidender Antrieb für die Vereinigung der Menschheit war die Erfindung des Geldes. Länder, in denen noch keine eigene Währung bekannt war, merkten sehr schnell, dass sie für Münzen aus anderen Reichen real Waren eintauschen konnten. Damit gewann das Geld natürlich auch an Wert für die Menschen in angrenzenden Ländern. Geld verbreitete eine große Toleranz. So erkannten muslimische Länder christliche Münzen an und umgekehrt. Die Aussicht damit Waren kaufen zu können genügte, um ein Zahlungsmittel zu akzeptieren. So glaubten immer mehr unterschiedliche Kulturen an denselben Mythos des Geldes. Ein weiterer Faktor war die Bildung großer Reiche, die andere Kulturen schluckten und assimilierten. Die Bräuche aus verschiedenen eroberten Kulturen bildeten eine neue gesamte Kultur eines Großreichs.

So he built his great empire and slaughtered his own kind

— Bad Religion
We’re Only Gonna Die

Ein weiterer Punkt war die Erfindung des Monotheismus. Während die polytheistischen Religionen relativ tolerant zueinander waren und auch Götter untereinander austauschten, gebietet der Glaube an einen einzigen wahren Gott, die einzig wahre Religion zu haben. Damit ist dieser Glaube nicht mit anderen polytheistischen Religionen kompatibel. So gilt die Christenverfolgung im alten Rom als großes Verbrechen. Allerdings hielten sich die Opferzahlen mit einigen Tausend verglichen mit Auseinandersetzungen allein innerhalb des Christentums in Grenzen. Allein im 30-jährigen Krieg sind ein Vielfaches davon ums Leben gekommen. Dieses Verhalten führte zur Durchsetzung der monotheistischen Weltreligionen. Gottgläubige Religionen werden teilweise durch Religionen ohne Gott abgelöst, die dann Ideologien, wie der Humanismus, der Kapitalismus oder Kommunismus genannt werden. Allerdings handelt es sich dabei um nichts anderes als Religionen, die ein universelles Prinzip als natürlich definieren, was aber nichts anderes als eine Erfindung von Menschen ist. Verstörend ist dabei zunächst einmal die Einteilung des Nationalsozialismus als eine humanistische Ideologie. Jedoch strebt der Nationalsozialismus die Weiterentwicklung der eigenen Rasse an und damit die Verbesserung des Menschen. So gesehen lässt sich die Einteilung als humanistische Religion nachvollziehen.

Der vierte Teil ist die Wissenschaftliche Revolution, die sich bis in die heutige Zeit fortsetzt. Angetrieben wird diese durch die Erkenntnis, dass der Mensch noch nicht alles weiß und er durch den Erwerb neuen Wissens Macht erlangen und die Welt seinen Bedürfnissen anpassen kann. Eine große Rolle spielt dabei die Entstehung des Kapitalismus, der es privaten Personen erlaubt Gewinne zu erzielen, wobei die Folgen nicht ausschließlich gut waren. So führte der Kapitalismus zur Versklavung von Afrikanern in Nordamerika oder zur Kolonialisierung des Rests der Welt aus Europa hinaus. Nach der Erfindung der Dampfmaschine machte der Kapitalismus den entscheidenden Unterschied im Eisenbahnbau aus. In den europäischen Staaten entstanden innerhalb weniger Jahre zehntausende Kilometer Schienen, während im Rest der Welt nur einige Hundert Kilometer gebaut wurden. Erst mit der Verinnerlichung des Kapitalismus z. B. in Japan und China entwickelten sich diese Regionen rasant weiter und beanspruchten dann Teile im Rest der Welt.

Die erste nicht-europäische Macht, die eine Militärexpedition auf den amerikanischen Kontinent schickte, war Japan, und zwar während des Zweiten Weltkriegs. Im Jahr 1942 besetzten japanische Soldaten die Inseln Kiska und Attu vor der Küste Alaskas und nahmen zehn Soldaten und einen Hund gefangen. Näher kamen sie dem Festland nie.

Harari weist dem Kapitalismus eine entscheidende Rolle für den Fortschritt zu, ohne dabei die negativen Folgen wie Sklavenhaltung oder Kolonisierung zu verheimlichen.

Das Buch weckte bei mir den Eindruck, dass der Lauf der Geschichte mehr aus natürlichen Bedingungen getrieben wird als das einzelne Personen der Zeitgeschichte einen Einfluss haben. Harari begnügt sich aber nicht damit, Geschichte zu beschreiben. Vielmehr bewertet er im letzten Kapitel auch im Hinblick auf das Glück des Einzelnen. Schon bei der Landwirtschaftlichen Revolution hat er darauf hingewiesen, dass diese keineswegs zu einer höheren Zufriedenheit der Menschen geführt hat. Auch ist nicht klar, ob unsere heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse uns helfen, glücklicher zu sein als Bauern, die an für uns abstruse Götter glaubten.

Then he died a confused man, killed himself with his own mind

— Bad Religion
We’re Only Gonna Die

Immerhin wird anerkannt, dass wir heute unter wesentlich besseren Bedingungen leben als Generationen vor uns, auch wenn uns das oft beim Blick in die Zeitung anders vorkommt. Aber die Anzahl an Kriegstoten, die Kindersterblichkeit und Unterdrückung von Minderheiten waren früher größer. Es bleibt die Angst, die Dinge könnten sich wieder anders entwickeln.

We’re only gonna die (only gonna die)
From our own arrogance

Ich gebe nur ungern Leseempfehlungen, da jeder andere Dinge mag. Eine kurze Geschichte der Menschheit sollte aber tatsächlich jeder lesen, insbesondere die Kapitel über die Rolle der Frauen.

Kritik

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen

Arendt (1964)

Der Gotteswahn

“Der Gotteswahn” von Richard Dawkins (2008) ist eine einzige Abrechnung mit Religion im Allgemeinen hauptsächlich dargestellt am christlichen Glauben, da der Autor diesem Kulturkreis entstammt. Dargestellt werden Argumente für und wider die Existenz eines Gottes, wobei bereits die Argumente für die Existenz auseinander gepflückt werden. So sind die Argumente gegen die Existenz eigentlich eine Fortsetzung der Kritik an den religiösen Argumenten dafür.

Allerdings werden auch die Wurzeln der Religion und die Wurzeln der Moral beleuchtet, die nach Ansicht des Autors unabhängig von einem Glauben an Gott sind. Vielmehr ist unser heutiges Moralverständnis viel weiter und humaner als das während der Entstehung des Christentums. Konsequenterweise wird die Bibel moralisch untersucht, wobei das Alte Testament als archaische Sammlung von Texten identifiziert wird. Es wird zwar zugestanden, dass das Neue Testament eine starke Annäherung an ein humanistisches Weltbild ist. Allerdings wird auch dargelegt, dass das Motiv der Nächstenliebe explizit die Liebe zu seinem Nächsten, also nur Liebe von Juden im ursprünglichen Sinne, bedeutet. Weiter enthält auch das Neue Testament das schreckliche Motiv der Erbsünde. Auch bemerkenswert ist, dass sich das Christentum mit dem Kreuz selber ein Folterinstrument als Zeichen gegeben hat. Auf die Spitze gebracht wird dieser Gedanke mit einem angeblichen Zitat des Komikers Lenny Bruce auf S. 318:

Wäre Jesus vor zwanzig Jahren getötet worden, dann würden die katholischen Schulkinder heute kein Kreuz, sondern einen kleinen elektrischen Stuhl um den Hals tragen.

Weiter werden die schlechten Seiten des Glaubens beleuchtet. So führt die Religion zu einer verstärkten Trennung von unterschiedlichen Glaubensrichtungen, z. B. durch getrennte Schulen in Nordirland, was zu einer andauernden Trennung von zwei eigentlich ähnlichen Bevölkerungsgruppen führt. Außerdem wird der Glaube an nicht nachvollziehbare Dogmen unterstützt. Beispielhaft wird dieses erläutert an der Geschichte des italienischen Jungens Edgardo Mortara, der aus einer jüdischen Familie stammte. Dieser wurde 1858 vom Papst beauftragt aus seiner Familie entführt, da er heimlich von einem Dienstmädchen getauft worden ist. Er sollte also nicht in einer jüdischen Familie groß gezogen werden, sondern der überlegenen christlichen Moral zugeführt werden. Auf die Spitze getrieben wird diese Geschichte dadurch, dass auch die jüdischen Eltern sich weigerten, sich taufen zu lassen. Mit diesem eigentlich nichts sagenden verspritzen von Wasser hätten sie ihren Sohn zurück bekommen können, sie bevorzugten es allerdings aufgrund eines absurden Glaubens, diesen Schritt nicht zu nehmen.

Darauf aufbauend wird gefordert, dass Kinder nicht religiös erzogen werden sollten. Es gibt keine christlichen Kinder, sondern nur Kinder christlicher Eltern. Erwachsene können entscheiden, ob sie an Gott glauben oder nicht.

Am Ende wird untersucht, ob der Nichtglauben Lücken hinterlässt, die nur von der Religion gefüllt werden können. Es wird dargelegt, dass sowohl der Trost eines Lebens nach dem Tod als auch die Motivation, als moralisch handelnder Mensch zu leben, anders gefüllt werden können. Während der Glaube an Gott den Menschen faul macht über den Ursprung des Lebens nachzudenken, motiviert ein atheistisches Weltbild die Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen des Lebens.

Anarchie und Evolution - Glaube und Wissenschaft in einer Welt ohne Gott

In “Anarchie und Evolution - Glaube und Wissenschaft in einer Welt ohne Gott” von Graffin und Olson (2011) entwirft der Sänger von Bad Religion sein naturalistisches Weltbild auf Basis der Wissenschaft, speziell der Evolutionsbiologie ohne einen Glauben an einen Gott. Nebenbei wird seine ganz persönliche Lebensgeschichte inklusive der Gründung und des Aufstiegs von Bad Religion dargestellt. Der promovierte Evolutionsbiologe erläutert, warum es nicht nötig ist, an einen Gott zu glauben, um ein moralisch handelnder Mensch zu sein oder einen Sinn im Leben zu erkennen. Dabei tritt er nicht so dogmatisch auf wie Richard Dawkins, sondern gesteht auch, dass ein Naturalist an viele Dinge glaubt, da die Wissenschaft nicht jeden Einzelschritt der Evolution erklären kann.

Aus wissenschaftlicher Sicht interessant ist unter anderem die Schilderung des ersten Fischs, der aus flachem Wasser heraus das Land als Lebensraum gewonnen hat. “Tiktaalik” (S. 42) heißt Süßwasserfisch und dieser erste Landgänger hatte bereits Armknochen wie alle direkt darauf folgenden Landlebewesen. Vor 375 Millionen Jahren setzte die Besiedelung des Lands ein. Die “adaptive Radiation” erfolgte schnell, da in dem neuen Lebensraum keine natürlichen Feinde vorhanden waren. Die Evolution erfolgte dann auch an Land mit der Bildung von Amphibien, Dinosauriern, Vögeln, Säugetieren, Primaten und schließlich dem Menschen.

Auch die Anfangsgeschichte von Bad Religion wird behandelt, so wie die Entstehungsgeschichte des Albums “Into the Unknown” (S. 96). Nach einem anfänglichen Wachstum der Punkszene zog diese immer mehr gewaltbereite Leute an. Bad Religion hatten an dieser Entwicklung kein Interesse und suchten daher nach neuen Möglichkeiten der Ausdrucksweise. Dieses Album klang wie “eine Mischung aus Jethro Tull, Pink Floyd und R.E.M.”, weshalb das Album später komplett zurückgezogen wurde. Danach kehrten sie wieder zu ihren Wurzeln zurück und schrieben mit den Alben “Suffer”, “No Control” und “Against the Grain” Punkgeschichte.

Die für mich persönlich zentrale Aussage ist, dass die Frage nach einem Gott unnütz ist, da sie zum Einen eh nicht beantwortet werden kann, zum anderen es aber entscheidend ist, welche Schlussfolgerungen aus dem Glauben oder Nichtglauben für ein sinnvolles Leben gezogen werden. Auf Seite 123 wird richtig behauptet, dass Religion sich den wichtigen Fragen im Leben stellt. “Woher komme ich? Was ist der Sinn meines Lebens? Und was für einen Sinn hat es, sich anzustrengen?” Weiter wird kritisiert, dass viele Atheisten ähnlich dogmatisch vorgehen wie religiöse Menschen. Nach deren Aussagen werden religiöse Menschen durch “moralischen Terrorismus” in der Erziehung geformt, was sich im Erwachsenenalter nicht mehr rückgängig machen lässt. Diese Konfrontation verhindert, sich mit den ja sinnvollen Fragen zu beschäftigen. Für Greg Graffin sind diese auch Anlass sich mit der Wissenschaft auseinander zu setzen und die Lösungen in der Evolution zu finden.

Es ist an der Zeit, die langwierige und endlose Debatte über die Existenz Gottes beiseitezulegen. Wir sollten uns auf das Leben und die ihm innewohnende Kreativität - und auch die unvermeidliche Tragödie - konzentrieren. (S. 124).

Im Folgenden baut er sich sein eigenes Weltbild auf wissenschaftlicher Basis auf. Aber eigentlich ist es ja egal auf Basis welchen Glaubens man sein Weltbild aufbaut, viel entscheidender ist doch wie dieses Weltbild hilft, die oben gestellten Fragen zu beantworten und einem hilft, im Umgang mit anderen Menschen “gut” oder “böse” zu sein, was man aus seinem Leben macht und wie man mit dem unausweichlichen Ende, dem Tod umgeht.

Das Hohe Haus

Heute am Tag der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten habe ich das Buch “Das Hohe Haus” von Roger Willemsen (2015) zu Ende gelesen. Dieses Buch gibt einen ziemlich interessanten Einblick in die parlamentarische Arbeit, wobei besonders gezeigt wird, dass vieles im politischen Diskurs nur gespielt ist und keine wirklichen Differenzen existieren. Besonders deutlich wird dieses nach der Bundestagswahl 2013. SPD und CDU bilden danach eine große Koalition und die vorher ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten sind auf einmal nur noch Makulatur. Stattdessen wird sich nur noch mit der kaum noch vorhandenen Opposition gestritten.

Eine interessante Stelle ist auf Seite 119 die Einschätzung der Asse. Dieses Thema wird als so wichtig und klar erachtet, dass es von allen Parteien gleichermaßen behandelt wird. Es scheint allen inklusive dem Autor klar zu sein, dass die Fässer geborgen werden müssen. Bei einem GRS-internen Vortrag von Bruno Baltes habe ich allerdings mal gehört, dass zwar eine theoretische Chance besteht, dass innerhalb der nächsten 30.000 Jahre es zu Grenzwertüberschreitungen kommen könnte, eine Bergung würde allerdings eine sofortige reale Gefahr für die Arbeiter bedeuten. Daher war sein Ratschlag, die Grube zu verfüllen und das Material in der Erde zu lassen. Die Ausführungen im Buch belegen also, wie sehr die Politik inklusive der Presse beeinflussbar sind und wissenschaftliche Erkenntnisse oder zumindest Diskussionen ausblenden können.

Auch lesenswert ist auf Seite 260 die Rede von Matthias Zimmer, die von Roger Willemsen als beste Rede des Parlamentsjahres bezeichnet worden ist.

Insgesamt ist das Buch recht langatmig. 150 Seiten hätten es vermutlich auch getan. Außerdem stört die persönliche Meinung, die der Autor immer wieder im Text durchblicken lässt. Sympathisch wirkt, dass er dieses im Nachwort selber zugibt. Ich würde dem Buch 6 von 10 Punkten geben.

Psychologie und Ratgeber

Verletzlichkeit macht stark

Brené Brown (2013) vertritt die These, Verletzlichkeit zu zeigen, sei keine Schwäche sondern ein Zeichen von Stärke, das es ermöglicht ein Leben aus vollem Herzen zu leben. Die Ideen beruhen auf ihrem TED-Vortrag Die Macht der Verletzlichkeit, mit dem sie bekannt geworden ist. Das Buch ist ein Plädoyer, seine Schwächen akzeptieren und lieben zu lernen. Ich musste beim Lesen an Glorious You von Frank Turner denken. Jeder kennt die Momente nicht gut genug zu sein.

From the moment the phone alarm
Breaks the morning in two
To the moment you close your bedroom door and all that’s left is you
There are a thousand auditions
You didn’t quite get through
So many masks to wear, so much weight to bear
but you were only ever you
You were glorious you, you were glorious

Später wird dann klar, dass Menschen trotz ihrer Schwächen glorious sind.

With your mixed-up metaphors, your messed-up makeup
You’re glorious you
With your tongue-tied tragedy, and too-small T-shirts
Glorious you

Vielen Menschen gelingt es nicht, Verletzlichkeit zuzulassen, da sie sich für Dinge schämen. Der Grund für den Scham ist ein gewisser Mangel. Worin genau dieser Mangel liegt, ist mir noch nicht ganz klar. Es wird verwiesen auf die Finanzkrise, den internationalen Terrorismus und verschiedene andere Krisen zum Anfang des 21. Jahrhunderts. Aber hat es solche Krisen nicht immer gegeben? Überzeugend wird nicht dargelegt, worin der angebliche Mangel in unserer aktuellen Gesellschaft liegen soll. Jedenfalls gibt es ein Gefühl des Nie genug sein, was ich schon irgendwie nachvollziehen kann. Aber warum?

Tiefer behandelt wird die geschlechterspezifische Art der Scham. Nach Daten aus geführten Interviews der Autorin schämen sich Frauen immer noch in erster Linie für ihr Aussehen, dicht gefolgt von der Art und Weise wie sie ihre Rolle als Mutter ausfüllen. Männer dagegen schämen sich noch immer dafür, nicht stark genug zu sein und ihrer Rolle als Versorger in der Familie nicht nachzukommen. Alte Rollenmuster sind immer noch in unserem Denken stark verankert, allerdings anders als von Feministen dargestellt. Die weibliche Rolle als gut aussehende Püppchen ist auch in Frauen vorhanden, die sich nach einem starken Mann sehnen. Und auch Männer, die nicht dem Macho-Ideal entsprechen, schämen sich für ihre zu weiche Art.

Nach Meinung der Autorin ist Scham ein rein negatives Gefühl, da sie zu Aggressionen, Suchtkrankheiten und anderen Dingen beiträgt. Diese Aussage kann ich schwer nachvollziehen, da auch dieses Gefühl sicherlich eine evolutionäre Berechtigung hat. Ich kann nicht so recht glauben, dass ein Gefühl, komplett negativ sein soll. Oder soll man sich jetzt schämen, Scham zu empfinden? Problematisch wird es doch erst, wenn man sich für Dinge schämt, die eigentlich keiner Scham bedürfen. Und wenn man daher Dinge nicht macht, die man eigentlich gerne gemacht hätte.

Vermutlich alle Menschen bedienen sich verschiedener Muster, ihre Scham zu überspielen. Verhaltensmuster wie Perfektionismus, das Einteilen von Menschen in Täter oder Opfer oder seiner Freude nicht trauen zu können, dienen dazu, Unsicherheit zu überspielen. Ich habe mich bei der Strategie Zickzackkurs ertappt gefühlt. Wie oft gehe ich vor einem unangenehmen Telefonat alle Einzelheiten durch, stelle mir vor was die kritischen Punkte sind, die im Gespräch meistens dann doch nicht angesprochen werden. Allerdings kann ich nicht sagen, dass ich diese Strategie uneingeschränkt schlecht finde. Ist besser übervorbereitet zu sein, als gar nicht vorbereitet.

Scham wird als Machtinstrument in allen kulturellen Kreisen, sei es in Firmen, in Sportvereinen oder in der Familie angewendet. Im beruflichen Umfeld ist Scham ein Hemmschuh für Innovation, da Mitarbeiter sich nicht trauen, ihre besten Ideen einzubringen und umzusetzen. Das gilt sicherlich für kreative Berufe, aber wie sieht es z.B. aus, wenn ich im Akkord arbeite. Da sollte ich mich schämen, wenn ich die Anzahl von Saatleitungsrohren nicht montiert bekomme. Oder ich gehe mit weniger Geld nach Hause. Spielt Scham auch eine negative Rolle bei Reinigungskräften, die einfach eine gewisse Zahl von Zimmern sauber machen muss?

Strategien, die innovatives Arbeiten fördern sollen, dürfen sich nicht der Scham als Mittel bedienen. Bei der Wahl der Strategie muss auch immer beachtet werden, ob sie der gelebten Kultur in einem Unternehmen, in einem Sportverein oder in einer Familie entspricht. Kinder werden schwer lernen, ehrlich zu sein, wenn die Eltern nicht abgerechnete Wasserflaschen an der Supermarktkette nicht nachträglich bezahlen.

Viele Beispiele stammen aus dem familiären Umfeld, dass eine Erziehung ohne Scham und mit dem Vorleben von Verletzlichkeit, die beste Methode ist, Menschen zu führen.

Wenn wir die Verletzlichkeit aus unserem Leben zu verdrängen trachten, verdrehen wir die Erziehung zu einem Wettbewerb, bei dem es nur noch um den größtmöglichen Erwerb von Wissen, um Rechtfertigungen, alle möglichen Aktivitäten und den Vergleich mit anderen geht statt darum, einfach Mensch zu sein. Lassen wir die ewige Fragerei, wer denn der Bessere sei, einmal außer Acht, und legen wir die Messlatten von Schulabschluss, Zensuren, Sport, Trophäen und Leistungen zur Seite, wird mir die große Mehrheit der Eltern, wie ich glaube, zustimmen, dass wir uns für unsere Kinder das wünschen, was wir für uns selbst wünschen – wir wollen Kinder aufziehen, die von ganzem Herzen leben und lieben.

Ohne das jemals aus dem Blickwinkel der Scham gesehen zu haben, ist das eigentlich das Ziel, wie ich versuche unsere Kinder groß zu ziehen. Niemand kann in allem der Beste sein. Es geht vielmehr darum, seine eigenen Stärken zu finden, um diese später nutzen zu können. Darüberhinaus wird betont, dass Kinder am besten lernen mit den Aufgaben im Leben zurecht zu kommen, wenn sie schwierige Situationen selber bewältigen müssen und die Helikopter-Mutter ihnen nicht alles abnimmt.

Denken hilft zwar, nützt aber nichts

Ariely (2010)

Die Scrum-Revolution: Management mit der bahnbrechenden Methode der erfolgreichsten Unternehmen

Sutherland (2015)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft

Gigerenzer (2014)

Wissenschaft

Die naturwissenschaftliche Reise mit der Beagle

Darwin (1839)

Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik

In “Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik” von Simon Singh (2013) werden mathematische Späßchen, die in den Simpsons vorkommen dargestellt. Die zahlreichen Autoren mit mathematischem Hintergrund haben eine Vielzahl solcher Gags offensichtlich oder weniger offensichtlich in der Serie untergebracht. Benannt ist das Buch in Anlehnung an Fermats letzten Satz aus dem 17. Jahrhundert, nachdem die Gleichung: xn+yn=zn x^n+y^n=z^n keine Lösung für n > 2 hat. Fermat hatte in seinen Schriften behauptet, dafür einen wunderbaren Beweis gefunden zu haben. Allerdings wurde dieser Satz erst 1994 von Andrew Wiles bewiesen, und zwar mit mathematischen Methoden, die zu Fermats Zeiten noch nicht bekannt gewesen sein können. In der Folge “Im Schatten des Genies” schreibt Homer einen Spezialfall dieser Gleichung an eine Tafel mit: 398712+436512=447212. 3987^{12} + 4365^{12} = 4472^{12}. Bei Verwendung eines einfachen Taschenrechners ist die Differenz der beiden Zahlen Null, was aber nur mit der einfachen Berechnung dieser Geräte zusammenhängt. In Wirklichkeit liegt dieser Wert bei 103310^{33}.

Neben Beispielen aus den Simpsons werden auch mathematische Gags und Rätsel aus Futurama erläutert, das zum Teil von denselben Autoren stammt wie die Simpsons.

Seinen eigenen Nerdgrad kann man anhand einer Reihe von Witzen überprüfen. Je nach akademischen Grad soll man selber bewerten, ob man beim Lesen lachen oder zumindest stöhnen musste. Mein Lieblingswitz dabei ist folgender, der leider nur in schriftlicher Form funktioniert:

Es gilt: limx81x8= \lim \limits_{x \to 8} \frac{1}{x - 8} = \infty

Bestimmen Sie entsprechend: limx51x5=? \lim \limits_{x \to 5} \frac{1}{x - 5} = ?

Antwort:

5

Das Buch liefert eine ungezwungene Art, sich mit Mathematik auseinanderzusetzen, allerdings nur für Simpson-Fans mit mathematischer Bildung. Daher 6 von 10 Punkte.

Big Bang

Singh (2007)

Geschichten vom Ursprung des Lebens

In Richard Dawkins (2004) Buch über die Evolution wird eine komplette Geschichte des Lebens auf der Erde erzählt. Diese geht allerdings heute los und endet etwa 4 Milliarden Jahre in der Vergangenheit. Ausgehend vom heute lebenden Menschen werden die nächsten Verwandten des Homo Sapiens vorgestellt anhand des Abstammungsbaumes wie er aus heutiger wissenschaftlicher Sicht gültig ist. Der Abstammungsbaum wird als Pilgerzug dargestellt, in dem zunächst die Menschenaffen, die Säugetiere, die Wirbeltiere und so weiter vorgestellt werden bis hin zu Einzellern zum Beginn des Lebens auf der Erde vor wahrscheinlich 4 Milliarden Jahren. Dieser Weg wird mit den Canterbury Tales verglichen, weshalb das Buch im englischen Original The Ancestor’s Tale heißt. In folgender Liste werden die für mich beeindruckensten Begegnungen auf der Reise erläutert.

Canterbury

Nachdem der Pilger, oder besser gesagt alle Pilger ihr Canterbury vor 4 Milliarden Jahren erreicht hat, wird in “Die Rückkehr des Wirts” beleuchtet, in wie weit Evolution sich wiederholen kann. Sicherlich ist die Evolution ein zufälliger Prozess, der sich nicht voraussagen lässt, allerdings gibt es unterschiedliche Dinge, die sich im Laufe der Evolution mehrmals unabhängig von einander entwickelt haben; so z.B. das Auge oder der Gleitflug. Solche Merkmale würden also wieder erwartet werden, wenn ein Großteil der Spezies verschwinden würde. Im letzten Abschnitt “Der Wirt sagt Lebewohl” wird die Bewunderung des Autors für den großartigen Prozess der Evolution deutlich, der gleichzeitig ein Lob auf den Erkenntnisgewinn der Wissenschaft ist. In diesem Sinne wird Ehrfurcht vor der Vielfalt des Lebendigen gezeigt, die ohne die Bewunderung eines Gottes auskommt.

Die sieben Töchter Evas

Sykes (2001)

Literatur

Arendt, Hannah. 1964. Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen.
Ariely, Dan. 2010. Denken hilft zwar, nützt aber nichts : warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen. München : Knaur-Taschenbuch-Verl.
Brown, Brené. 2013. Verletzlichkeit macht stark. Random House ebook.
Darwin, Charles. 1839. Die naturwissenschaftliche Reise mit der Beagle. Hamburg : mach-mir-ein-ebook.de E-Book-Verlag Jungierek.
Dawkins, Richard. 2004. Geschichten vom Ursprung des Lebens.
———. 2008. Der Gotteswahn. Ullstein Taschenbuch.
Gigerenzer, Gerd. 2014. Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft.
Graffin, Greg, und Steve Olson. 2011. Anarchie und Evolution - Glaube und Wissenschaft in einer Welt ohne Gott. München: riva Verlag.
Harari, Yuval Noah. 2013. Eine kurze Geschichte der Menschheit. München: DVA.
———. 2017. Homo Deus - Eine Geschichte von Morgen. C.H. Beck.
Lindberg, Jim. 2008. Punk Rocker sind auch nur Väter.
Mertesacker, Per. 2018. Weltmeister ohne Talent: Mein Leben, meine Karriere. Ullstein extra.
NOFX, und Jeff Alulis. 2016. NOFX: The Hepatitis Bathtub and Other Stories. Da Capo Press.
Rosling, Hans, Anna Rosling Rönnlund, und Ola Rosling. 2018. Factfulness. Ullstein.
Singh, Simon. 2007. Big Bang. Carl Hanser Verlag München.
———. 2013. Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik. Carl Hanser Verlag München.
Sutherland, Jeff. 2015. Die Scrum-Revolution: Management mit der bahnbrechenden Methode der erfolgreichsten Unternehmen. Campus Verlag.
Sykes, Bryan. 2001. Die sieben Töchter Evas : warum wir alle von sieben Frauen abstammen - revolutionäre Erkenntnissse der Gen-Forschung. Bergisch Gladbach : Lübbe.
Vogelsang, Lucas. 2017. Heimaterde. Aufbau Verlag.
Willemsen, Roger. 2015. Das Hohe Haus: Ein Jahr im Parlament. 5. Aufl. FISCHER Taschenbuch.